Prof. Heuberger, Mikroelektronik spielt in fast allen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle. Die Digitalisierung ganzer Branchen bringt neue Anwendungen und Anforderungen mit sich. Welche Aufgaben sind damit verbunden?
Die Anforderungen an die Mikroelektronik-Komponenten der nächsten Generation sind in meinen Augen vor allem Flexibilität, Daten- bzw. Energieeffizienz und Vertrauenswürdigkeit.
Für Sensoren brauchen wir modulare Plattformen, die sich an spezielle Anforderungen anpassen können. Der Trend zu starker Vernetzung in der Industrie und im Consumer-Bereich hält an, wobei ich glaube, dass nicht alle Daten in eine Cloud geschickt werden müssen und können. Für viele Anwendungen sind lokale Datenverarbeitung und Entscheidung wichtig. Dafür müssen wir energieeffiziente verteilte Komponenten entwickeln. Allgemein ist die Herausforderung, sich organisatorisch und technologisch so aufzustellen, dass man die unterschiedlichen Anforderungen der Industrie durch die Forschung bei Fraunhofer bedienen kann und dabei effizient zusammenarbeitet.
Lassen Sie uns über die Grenzen Deutschlands blicken: Welche Herausforderungen bezüglich technologischer Souveränität sehen Sie für Europa, und wie können diese bewältigt werden?
Auf europäischer Ebene müssen wir eine Lieferfähigkeit von Komponenten und Innovationen sicherstellen. Dafür wollen wir innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft das strategische Forschungsfeld »Next Generation Computing« vorantreiben. Die Themenfelder darin sind Neuromorphe Hardware, Trusted Computing und Quantum Computing. Auf allen Gebieten haben wir Kompetenzen, um technologische Beiträge zu liefern. Um einen wirklichen Impact als dritter Spieler neben den USA und China zu generieren, müssen wir die Stärken in Europa bündeln. Das wollen wir tun, indem wir mit den sogenannten »Research and Technology Organisations« (RTOs) in Europa zusammenarbeiten.
Das gelingt durch die Organisation der Zusammenarbeit zwischen den RTOs und durch Investitionen in die technologische Infrastruktur. Dafür brauchen wir die Unterstützung der Europäischen Kommission, die innerhalb des Horizon Europe Programms Infrastruktur und Projekte fördert. Die FMD gilt hier als Vorbild, wenn es darum geht, verschiedene Institutionen mit einer gemeinsamen Strategie und mit gebündelten Angeboten an die Industrie aufzustellen.
Davon abgesehen: Wo möchten Sie als Sprecher des Verbunds Mikroelektronik besondere Akzente setzen?
Als Sprecher bin ich u. a. für die Organisation der Zusammenarbeit der Mikroelektronik- Institute zuständig. Dabei liegt mir am Herzen, die Geschäftsstelle der FMD und des Verbunds gut weiterzuführen und in der Ausgestaltung der strategischen Initiativen mit einzubinden.
Außerdem möchte ich den Stellenwert der Mikroelektronik bei der Industrie und bei der Politik stärken. Wir alle wissen, dass Mikroelektronik die Querschnittstechnologie ist, die in alle Branchen hineinwirkt. Daher brauchen wir ein Bewusstsein für die Wichtigkeit technologischer Souveränität und für die Chancen bei der Entstehung neuer Industrien durch Fortschritte in der Mikroelektronik. Dafür müssen gemeinsam auftreten, indem wir die Zusammenarbeit der Fraunhofer-Institute weiter voranbringen. Dafür möchte ich mich als Sprecher des Verbunds zusammen mit meinem Stellvertreter Christoph Kutter und dem Direktorium einsetzen.
Vielen Dank für das Gespräch!